Wie können typische Einwände entkräftet werden
1. Wie können 25 Personen repräsentativ sein?
Es geht in erster Linie darum, unsere Gesellschaft besser als gegenwärtig bei der Erarbeitung von Lösungen abzubilden und zu beteiligen – ohne einen Anspruch auf 100%ige Repräsentativität. Wichtig ist die Zufälligkeit der Auswahl, die bei 25 Teilnehmer*innen dafür sorgt, dass eine ausreichende Abbildung der Vielfältigkeit unserer Gesellschaft gegeben ist. Außerdem ist es möglich, bei speziellen Fragestellungen, schwer erreichbare aber für die Fragestellung extrem wichtige Zielgruppen persönlich aufzusuchen und einzuladen. Wir glauben, dass wir dem Prozess der zufälligen Auslosung vertrauen können. Der Zufall sorgt dafür, dass das, was da ist, auch abgebildet wird.
2. Können bestimmte Interessengruppen überrepräsentiert sein oder bestimmte Meinungen dominieren?
In jeder Arbeitsrunde werden die 5er-Arbeitsgruppen immer wieder neu und zufällig zusammengesetzt. Durch diese immer neue Vermischung der Teilnehmer*innen und die kurze Gruppenarbeitszeit von 30 Minuten pro Durchgang ist auch über mehrere Arbeitsrunden sichergestellt, dass unterschiedliche Perspektiven gleichermaßen Gehör finden und dominante Menschen keinen Meinungsführerschaft etablieren können.
3. Wie kann eine ausgewogene Diskussionskultur erreicht werden, wenn es Meinungsverschiedenheiten oder Konflikte gibt?
Die zeitliche Begrenzung für das Erarbeiten von drei Lösungsvorschlägen auf nur 30 Minuten ist ausgesprochen hilfreich, um genau diese oftmals wirklich unnötigen Diskussionen erst gar keinen Raum zu bieten. Denn bei 30 Minuten liegt der Fokus sofort und ausschließlich auf der konstruktiven Erarbeitung der Lösungen.
4. Kann die Gemeinwohl-Methode aufgrund der begrenzten Größe und Dauer alle relevanten Aspekte eines Problems berücksichtigen?
Ja, denn man kann das „Problem“ in einzelne Aspekte, Teilbereiche oder Unterprobleme aufteilen und sich dann einem nach dem anderen mit einer oder mehreren Arbeitsrunden widmen.
5. Die Ergebnisse können von den verantwortlichen (politischen) Akteuren ignoriert oder nicht umgesetzt werden. Und das führt zu Frustration.
Das ist eine Herausforderung. Deshalb sollte man den Rahmen der Nutzung der Ergebnisse der Gemeinwohl-Methode von Anfang an mit den verantwortlichen Akteuren abstimmen.
Gleichzeitig ist auch die Gesellschaft selbst ein Adressat der Ergebnisse und kann und sollte idealerweise Teil der Umsetzung sein. Wir empfehlen deshalb die Methode insbesondere dort, wo Gemeinschaften Lösungen für aktuelle Probleme suchen, die sie auch selber umsetzen können. Z.B. Vereine, Wohngenossenschaften, Schulen, Bürgerinitiativen. Zum anderen können wir bei zukünftigen Wahlen Politiker*innen wählen, die ernsthafte Bürger*innenbeteiligung wertschätzen und befürworten.
6. Besteht die Gefahr, dass die Teilnehmer nicht unabhängig und frei von Einflussnahme durch politische oder wirtschaftliche Interessen agieren?
Diese Gefahr lauert leider immer und überall.
Durch die kurze Dauer einer Arbeitsrunde ist die Möglichkeit der Beeinflussung aber eingeschränkt. Bei einer häufigen Anwendung ließe sich durch eine zufällige Zuordnung der Bürger*innen zu den Themen die Beeinflussung praktisch unmöglich machen.
7. Wie wird sichergestellt, dass die Teilnehmenden nicht enttäuscht sind, wenn die Entscheidungsträger die Empfehlungen ignorieren oder ablehnen!
Natürlich können auch beim Einsatz der Gemeinwohl-Methode Erwartungen von Teilnehmenden enttäuscht werden. Wie überall im Leben. Enttäuschung kann reduziert werden, wenn der Umgang mit den Ergebnissen von vorne herein klar abgestimmt ist und transparent kommuniziert wird.
8. Was bringt die Methode dann überhaupt?
Im ersten Schritt geht es darum, ein Thema zu reflektieren, von vielen verschiedenen Perspektiven aus zu betrachten und Lösungen zu erarbeiten, mit denen alle gut leben können. Die Erkenntnisse der Teilnehmenden aus diesem Prozess fließen in die Gesellschaft ein und so beginnt sich langsam, die Haltung der Gesellschaft zu Themen zu ändern.
10. Die Teilnehmer*innen sind zufällig ausgewählt und haben möglicherweise keine spezifische Expertise zu dem diskutierten Thema. Kann dies nicht dazu führen, dass wichtige Aspekte des Themas übersehen werden oder dass falsche Entscheidungen getroffen werden.
Es ist sogar ausdrücklich gewünscht, dass das persönliche Erfahrungs- und Lebenswissen der Teilnehmenden in die Erarbeitung von Empfehlungen mit einfließen. Die Teilnehmer*innen müssen und sollen keine Fachleute sein. Um sicherzustellen, dass sie informierte Entscheidungen treffen können, bringen Fachleute alle zu berücksichtigen Aspekte des Themas in leicht verständlicher Form ein.
Und es ist tatsächlich die Herausforderung der Prozessbegleiter, die geeigneten Expert*innen zu gewinnen und sicherzustellen, dass alle wichtigen Fakten und Informationen und keine Meinungen, Anschauungen oder Lösungen vermittelt werden.
11. Wie wird ein Thema ausgewählt und formuliert?
Die Themen können von Bürgergruppen eingebracht werden oder die Gemeinwohl-Methode wird angewendet, um die Problemstellung zu priorisieren oder auf den Punkt zu bringen.
12. Es gibt es keine Garantie dafür, dass die Empfehlungen durch die Gemeinwohl-Methode tatsächlich besser sind als Empfehlungen, die mit Hilfe von anderen Methoden oder von den gegenwärtigen Entscheidern erarbeitet werden.
Es gibt bereits 50 Jahre Erfahrung mit Bürgerräten. Immer hat sich gezeigt, dass die Empfehlungen der Bürgerräte dem gesunden Menschenverstand entsprechen und den Blick auf das Allgemeinwohl beinhalten. Die Empfehlungen der gegenwärtigen Entscheider sind häufig von Lobbyisten beeinflusst und von eigenen Interessen geleitet.