Der Mikro-Bürger*innenrat geht auf die Methode der Planungszellen von Prof. Peter Dienel zurück, die er bereits in den 1970ger Jahren entwickelt hat. Als Methode für gelingende gemeinsame Gestaltung des Gemeinwesens durch die Bürger*innen selbst wurde sie seitdem häufig erprobt. Peter Dienel nannte das Ergebnis dieser Planungszellen ein Bürgergutachten.
Die „Planungszelle“ definiert Dienel
Gruppe von 25 nach einem Zufallsverfahren ausgewählten Bürger*innen
aus erster Hand informiert und assistiert von zwei Prozessbegleitern
erarbeiten Lösungen für ein ihnen vorgegebenes, als schwer lösbar geltendes Problem
Zufalls-Juroren werden für vier Tage von ihren arbeitstäglichen Verpflichtungen freigestellt und für diese Zeit vergütet
Mehrere solche Planungszellen arbeiten nach dem gleichen Muster
Ihre Ergebnisse werden nach deren Abschluss zusammengeführt und als Bürgergutachten veröffentlicht
Aus dieser Definition ergeben sich nach Dienel neun Charakteristika der Planungszelle. Anzeigen
Die Gruppenarbeit: Die vier Tage dauernde „Planungszelle“ trifft ständig in Fünfer-Gruppen aufeinander, deren Zusammensetzung immer wieder wechselt. Dadurch, dass jeder mit jedem zusammenarbeiten muss, entsteht eine starke Gruppendynamik und eine hohe Kreativität. Eine durchgehende Meinungsführerschaft wird durch die wechselnde Zusammensetzung der Gruppen verhindert.
2. Das Rollenangebot: Die Teilnehmer agieren während der vier Tage als Experten. Sie treffen die Entscheidungen, sind aber vor allem Experten als BürgerInnen ihres Staates. Sie informieren sich, versuchen dabei objektiv zu bleiben, legen Wert auf die Kooperation und identifizieren sich dann mit den Ergebnissen der Gruppe. Sie arbeiten einem Bürgergutachten zu, in dem die Ergebnisse ihrer Planungszelle festgehalten werden.
3. Die Vergütung: Dieses Merkmal ist eng mit dem vorherigen verknüpft und unterscheidet die Planungszelle von den meisten anderen partizipativen Verfahren. Die BürgerInnen werden hier für ihre Tätigkeit entschädigt. So wissen sie, dass sie ernst genommen werden und ihre Arbeit „wertvoll“ ist. Durch die Bezahlung der Juroren wird ihre Arbeit mit der von Politikern und Experten, die gewöhnlich die Entscheidungen treffen, gleichgesetzt.
4. Die Freistellung der Teilnehmer von ihren täglichen Verpflichtungen: Dieser „politische Erlebnisurlaub“ (Peter Dienel) stellt sicher, dass die Aufgabe ernst genommen und die Wichtigkeit der Arbeit klar wird. Für Personen, die Kinder zu hüten oder ältere Familienangehörige zu pflegen haben, kann für die Zeit der Planungszelle eine Betreuung gestellt werden.
5. Die zeitliche Begrenzung der Veranstaltung auf vier Tage: Durch diese Begrenzung wird zum einen die Neutralität der Juroren abgesichert. Zum anderen dient dieses Limit dem Rotationsprinzip: Möglichst viele Bürger sollen an dem (problemlos vermehrfachbaren) Projekt „Planungszelle“ teilhaben können, jeder soll mal „regieren und regiert werden“.
6. Die Zufallsauswahl der TeilnehmerInnen: Dienel entschied sich 1970 für die Auswahl im ‚geordneten Zufall´. Dieses Verfahren war laut Dienel ,vernünftig´. Es vermeidet, im Unterschied zu Verfahren wie der Wahl oder der freiwilligen Partizipation, den Durchgriff von partiellen oder privaten Interessen. Das Losverfahren garantiert außerdem eine hohe Repräsentativität. Diese öffnet dann auch für sehr unterschiedliche soziale Positionen eine Möglichkeit, endlich mal zusammenzuarbeiten und sich so kennen zu lernen. Darüber hinaus steht dieses Verfahren für den demokratischen Grundsatz der Gleichheit aller.
7. Die Arbeit mit Laien: Die so genannten Bürgerexperten werden nicht nach ihrer Kompetenz, sondern per Zufall ausgewählt. Diese Vorgehensweise impliziert, dass jeder Bürger kompetent ist, die gestellten Probleme zu lösen und so ‚seine Umwelt´ selber zu gestalten (Peter Dienel).
8. Die Unterstützung: Die BürgerInnen erhalten bei dieser Aufgabe von zwei Seiten Unterstützung. Zum einen helfen die Experten und zum anderen die Prozessbegleiter. Die Prozessbegleiter sind für die Organisation der praktischen Aspekte der Planungszelle verantwortlich. Sie besorgen den notwendigen Raum, planen den zeitlichen Rahmen und sind am Ende für die Redaktion des Bürgergutachtens verantwortlich. Die Experten stehen für die Rückfragen der BürgerInnen zur Verfügung, nachdem sie diesen zunächst ihre Expertise oder auch die Sichtweise ihrer Interessenposition vorgestellt haben.
9. Die vorgegebenen Aufgabenstellung: Die Bürger können das Thema zu dem sie arbeiten nicht auswählen. Es wird ihnen vorgegeben.
Der Mikro-Bürger*innenrat von Wolfgang Scheffler
Weil Dienels Format sehr aufwendig ist hat Wolfgang Scheffler ein viel kürzeres Verfahren mit nur einer Planungszelle entwickelt, das er Mikro-Bürger*innenrat nannte. So soll sichergestellt werden, dass das Verfahren viel häufiger und einfacher eingesetzt werden kann. Mittlerweile wurden alleine in Deutschland mehr als 300 Mikro-Bürger*innenräte mit guten Erfahrungen durchgeführt.
Die kurze Form der Dienelschen Planungszelle enthält alle für einen erfolgreichen Prozess wichtigen Elemente und erfordert weniger zeitlichen sowie organisatorischen Aufwand.