Nutzung der Gemeinschaftsräume Wohngenossenschaft München
Üben der Methode auf der Dokumenta 14 + 15
Wir beschränken uns an dieser Stelle auf die Kurzzusammenfassung und konkreten Empfehlungen der unterschiedlichen Praxisbeispiele. In unseremPraxisbuch ‚Wir alle sind Demokratie‘ gibt es darüber hinaus ausführliche sehr lesenswerte Gespräche dazu mit vielen weiteren Erkenntnissen und Details zum Ablauf und zu den Ergebnissen.
1. Drei Fragestellungen im Dorf Aislingen
Kurzzusammenfassung
Das Konzept der Gemeinwohl-Methode wurde von Wolfgang ab 2009 in seinem Wohnort Aislingen (damals noch unter dem Namen Mikro-Planungszelle) getestet. Dort leben 1400 Einwohner. Bisher wurde die Methode dort dreimal mit den folgenden Fragestellungen durchgeführt:
2009: Was sind die wichtigsten Anliegen der EinwohnerInnen in Aislingen
2011: Wie stellen wir die Grundversorgung in Aislingen sicher
2016: Wie gehen wir mit Geflüchteten in Aislingen um
Alle Mikro-Planungszellen entstanden aus privater Initiative.
Als Auftraggeberin trat die Gemeinde Aislingen auf, die auch die Räumlichkeiten sowie Bewirtung stellte. Die Einladung der zufällig ausgelosten Bürger*innen mit Hilfe des Einwohnermelderegisters wurde von der Gemeindeverwaltung erledigt. Die Durchführung erfolgte ehrenamtlich durch Wolfgang und sein Team. Insgesamt entstanden kaum Kosten. Die Ergebnisse wurden – wie auch die Vorabinformation für alle BürgerInnen – im Amtsblatt publiziert.
Das Feedback der TeilnehmerInnen und des Gemeinderats war durchweg positiv.
Die Ergebnisse:
1. Anwendung: Die 3-4 wichtigsten Anliegen in Aislingen
Mehr Grünanlagen, Behinderung der Landwirte durch auf der Straße parkende PKWs, fehlendes Jugendzentrum, Sicherstellung der Grundversorgung nach Schließung eines Geschäftes
2. Anwendung: Sicherstellung der Grundversorgung
Erstellung und Veröffentlichung einer Liste mit Kontakten aller Anbieter
3. Anwendung: Umgang mit Geflüchteten
Bessere Integration, Initiierung einer bewusstseinserweiternden Debatte über die Bedürfnisse der Geflüchteten, Gründung eines Unterstützerkreises, später Etablierung des World Cafés für alle DorfbewohnerInnen
2. Fahrtkostenaufteilung Montessori Schule
Kurzzusammenfassung
2012 bat die Rektorin der Montessori Schule Wertingen Wolfgang um Hilfe bei der Lösung eines aktuellen Problems.
Wie können wir unser Fahrtkostendefizit gerecht auf die Familien umlegen ?
Wolfgang schlug vor, dazu die Gemeinwohl-Methode mit zwei Arbeitsrunden und mindestens 25 zufällig ausgelosten Eltern durchzuführen.
1. Runde: Was sind unsere Kriterien damit wir eine Lösung als gerecht empfinden
2. Runde: Nach welchem System soll das Fahrkostendefizit in Zukunft umgelegt werden
Ergebnisse:
Runde: Gerechtigkeit ist…
…wenn alle mit der Lösung leben können, wenn es keinem schlecht geht, wenn ich das Problem mit der Lösung als abgeschlossen empfinde, wenn sich jeder fair berücksichtigt fühlt, wenn die Lösung an die Verhältnismäßigkeit der eigenen Möglichkeiten angepasst ist.
Dabei sind den TeilnehmerInnen Offenheit, Transparenz und klare Entscheidungswege wichtig.
2. Runde: Nach welchem System soll die Umlage erfolgen ?
Vorschlag A: Umlage pro Familie = 55 Punkte
Vorschlag B: Kostenumlage auf die Fahrschüler = 18 Punkte
Vorschlag C: Umlage auf alle Schüler in gleicher Höhe = 20 Punkte
Die Ergebnisse wurden in der Mitgliederversammlung der Schule vorgestellt. Vorschlag A mit den meisten Punkten wurde angenommen.
3. Mehr Fotovoltaik in Schorndorf
Kurzzusammenfassung
Die Gruppe Klimaentscheid Schorndorf wollte 2021 den Ausbau von Fotovoltaik in Schorndorf mit Hilfe einer Bürger*innenbeteiligung beschleunigen. Bei der Suche nach geeigneten Methoden und Fachleuten kam der Kontakt mit Wolfgang zustande, der die Gruppe von der Anwendung der Gemeinwohl-Methode überzeugte.Anzeigen
Mit Unterstützung des Oberbürgermeisters und der Leiterin der Stabsstelle Klimaschutz sowie der Allianz für Beteiligung wurde die Gemeinwohl-Methode zum Thema ‚Wie bekommen wir in Schorndorf schneller mehr PV auf die Dächer‘ im Oktober 2021 angewandt.
Durch einen Experten Round Table wurde klar, dass die Fragestellung mehrere Unterfragestellungen erforderte, so dass vier Arbeitsrunden a 90 Minuten, also ein ganzer Samstag notwendig war
Es wurden 500 zufällig ausgeloste Bürger*innen eingeladen, von denen 25 zugesagt und teilgenommen haben.
Fragestellung und Ergebnisse Runde 1:
1. Wie würden Sie zur Umsetzung von Fotovoltaik Anlagen gerne informiert bzw. beraten werden ?
Punkte
Empfehlung
33
Die Stadt soll eine proaktive Beratungsrolle übernehmen
26
Die Beratung soll persönlich sein
18
Informationskanäle sollen vielfältig sein
15
Die Beratung soll neutral und niederschwellig sein
14
Die Beratung soll bequem verfügbar sein
9
Es soll ein einfach verständliches Informationspapier geben
Fragestellung und Ergebnisse Arbeitsrunde 2:
2. Welche Art von Unterstützung würden Sie sich bei der Begleitung der Umsetzung Ihrer Fotovoltaik Anlage wünschen?
Punkte
Empfehlung
38
Einen Ansprechpartner/Kümmerer von Anfang bis Ende
19
Eine Anlaufstelle bei der Stadt für rechtliche Fragestellungen
16
Weniger Bürokratie
15
Entscheidungsbaumsoftware zum richtigen Ansprechpartner
15
Bildung von Interessensgemeinschaften
13
Finanzielle Anreize
8
Regionale Kompetenznetzwerke
Fragestellung und Ergebnisse Arbeitsrunde 3:
3. Wie können Bürger*innen Teil der Lösung werden und durch gemeinschaftliches Handeln Engpässe kompensieren ?
Punkte
Empfehlung
34
Bildung von Netzwerken aus kompetenten Bürgern (zur Entlastung von Handwerkern)
31
(Material)Sammelbestellungen und -aufträge
23
Ausbildung von Solateuren und Montage durch die Stadtwerke Schorndorf
19
Gewinnung von ehrenamtlich tätigen BürgerInnen zur Unterstützung der Handwerker
7
Nutzung alternativer Finanzierungsformen: z.B. Crowdfunding, Genossenschaften, PV-Fonds
5
Kommunikation von positiven Beispiele
Fragestellung und Ergebnisse Arbeitsrunde 4:
4. Wie können wir Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohl bei der Umsetzung von Fotovoltaik zusammenführen ?
Punkte
Empfehlung
35
Ausbau des Genossenschaftsmodells
15
Einsatz eines übergeordneten Koordinators
15
Erhöhung des Investitionsdrucks auf die Stadtwerke
15
Förderung des Informationsaustausches und Verständnis für Zusammenhänge
10
Finanzielle Anreize für volle Dächer
4
Übergangsweise Nutzung von deutscher Kernenergie
Die Resonanz der Teilnehmer*innen und auch der Stadt Schorndorf war uneingeschränkt positiv. Die Ergebnisse der Arbeit wurden dokumentiert und dem Oberbürgermeister, dem Gemeinderat, der Presse und den Teilnehmer*innen übergeben.
Aufgrund der Empfehlungen der Teilnehmenden entstand die Bürger-Solar-Beratung sowie eine engere Zusammenarbeit mit den Bürgerenergiewerken Kirchheim Teck. Außerdem nahm der Fokus der Stadtwerke und Energieagenturen auf das Thema Fotovoltaik zu
4. Nutzung der Gemeinschaftsräume Wohngenossenschaft München
Kurzzusammenfassung
Eine Teilnehmerin eines früheren Workshops hatte sich an das Format erinnert und Wolfgang um Unterstützung gebeten, als es Probleme in ihrer Wohngenossenschaft mit der Nutzung eines Gemeinschaftsraumes gab.
Die Gemeinwohl-Methode wurde mit zwei Arbeitsrunden und folgenden Fragestellungen durchgeführt:
Nach welchen Kriterien soll der Gemeinschaftsraum genutzt werden
Wie soll das organisiert werden
Ergebnisse
Konsens über die Kriterien
Es braucht Verantwortliche
Raum wird abgeschlossen
Kein freier Zugang
Aus dem „Tobezimmer“ genannten Raum soll ein Multifunktionsraum werden, dessen Zugang und pflegliche Behandlung von einer Kümmerer-Gruppe organisiert wird.
Der Zusammenhalt in der Wohngenossenschaft wurde gestärkt.
5. Übung der Methode auf der Documenta 14 und 15
Kurzzusammenfassung
Auf der 14. Documenta 2017 in Kassel hatten Wolfgang und seine Mitstreiter die Gelegenheit, das Konzept der Gemeinwohl-Methode einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren und das Format mit interessierten Besuchern zu ‚üben‘.
Aufgrund der positiven Resonanz und der guten Vernetzung mit Vertretern der Gemeinwohl-Ökonomie und des Zukunftsdorfes 22 konnte die Methode dann auch auf der Documenta 15 vorgestellt und geübt werden.